Manche Projekte, an denen ich mitwirke, gelten direkt der Produktion von Öffentlichkeit oder sind öffentliche Interventionen. Allen voran das Programm der Kunst im Bürgerauftrag namens Neue Auftraggeber. Dieses Programm, das ich in Deutschland seit 2007 mit verantworte, ist Teil eines Europäischen Netzwerks, das auf bislang rund 500 Projekte zurückblickt. Seit 2017 bin ich Geschäftsführer der von mir gegründeten Gesellschaft der Neuen Auftraggeber, einer gGmbH. Seit 2023 bin ich Vorsitzender der Société Internationale des Nouveaux Commanditaires mit Sitz in Brüssel. In diesen Rollen habe ich eine kulturpolitische Funktion und Stimme, arbeite strategisch und ich suche das Geld, damit möglichst viele Menschen aktiv werden können, bin aber auch selber involviert in den Verlauf einzelner Projekte. Daneben gibt es andere Projekte im und für den öffentlichen Raum, die ich veranstaltet oder an denen ich mitgewirkt habe, teils an der Seite von Künstlern wie Santiago Sierra oder Olu Oguibe. Geprägt hat mich mein erstes größeres Projekt in Leipzig 1998, das selbstorganisierte Symposium über interkontextuelle künstlerische Kompetenz. Der gesellschaftspolitische Ansatz von damals ist für mich wesentlich geblieben.
KOW, die Galerie, die ich mitbegründet und deren Programm ich maßgeblich kuratiert habe, ist ein privates Unternehmen. Aber sie ist auch ein Raum zur Schaffung öffentlicher Momente und Sichtbarkeit. Seit 2009 haben wir neben unseren Ausstellungen zahlreiche öffentliche Veranstaltungen mit unterschiedlichen Publika organisiert: Diskussionen, Konferenzen, Konzerte, Performances, Lesungen und Buchpräsentationen. Jede Eröffnung einer Ausstellung ist ebenfalls ein öffentlicher Anlass und manchmal ein Fest. Tatsächlich dient eine Galerie wie KOW als Schnittstelle zwischen privaten und öffentlichen Interessen, Diskursen und Ökonomien, sowohl in Bezug auf ihre Ansprüche als auch auf ihre Funktionen.
Die Neuen Auftraggeber sind neben KOW mein zweites großes Projekt der letzten bald 20 Jahre. Es ist im Kern ein kulturpolitisches Projekt „von unten“ bzw. aus der Zivilgesellschaft heraus, das weder von künstlerischer Autonomie noch von Partei- oder Regierungspolitik ausgeht, sondern von den Bedarfen und Ideen von Bürgerinnen und Bürgern. Ich habe dieses Programm in Deutschland maßgeblich aufgebaut.
Nach Jahren der Recherche setzte Mario Pfeifer dieses Filmprojekt um, an dem ich vom Drehbuch bis zur Montage mitwirken konnte. Der Film erhielt 2023 den Hessischen Filmpreis und – schöner noch – 2024 den Deutschen Menschenrechts Filmpreis. Der Tod des Asylsuchenden Oury Jalloh im Dessauer Polizeigewahrsam wurde einer der größten Justizskandale Deutschlands. Gegen alle Mühen der Vertuschung hat Mario Pfeifer den Fall ein weiteres Mal aufgerollt und mit seinem Filmprojekt neue Beweise geliefert. Dass Polizisten Oury Jalloh tatsächlich ermordet haben, was als einzig plausible Konsequenz erscheint, wollen Justiz, Politik und Medien bis heute dennoch nicht wahrhaben.
2018 wurde ich angefragt, ein Konzept für die documenta 15 zu entwickeln. Ich hatte schon mehrfach versucht, die Methodik der Kunst im Bürgerauftrag auf verschiedene Biennalenformate zu übertragen. Aber die documenta bedeutete einen anderen Maßstab. Ich machte mir wenig Hoffnung, dass mein Vorschlag durchkommen würde, aber es war interessant, diesen Plan zu entwickeln. In Wahrheit war er eher utopisch und es hätte eigentlich zehn Jahre gebraucht statt fünf, um das zu schaffen, was mir vorschwebte. Als „Gesicht“ und Frontperson der d15 konnte ich Bruno Latour gewinnen, ein langjähriger Partner der Neuen Auftraggeber. Ich hätte die Arbeit im Hintergrund gemacht. Die Auswahlkommission entschied sich dann bekanntlich für Ruangrupa. Da die Öffentlichkeit von meiner Idee nichts weiß, veröffentliche ich sie hier.
Mario Pfeifer setzt sich in Again / Noch einmal (2018) mit einem Vorfall auseinander, der für Deutschland so typisch geworden ist: Im Mai 2016 kam es an der Kasse eines Supermarktes in Arnsdorf (nahe Dresden in Sachsen) zu einer unschönen Szene. Der junge Mann Shabaz Al-Aziz, der 2015 aus dem Irak nach Deutschland floh, wollte eine fehlerhafte Sim-Karte umtauschen…
Auf dem Gelände der Jahrhunderthalle Bochum installierte Olu Oguibe einen universellen Aufruf an die Jugend aller Nationen in drei Sprachen: auf Deutsch und Englisch, den im europäischen Raum meist verbreiteten Sprachen – und auf Romani, derjenigen Sprache, die eine große Minderheit repräsentiert und für eine der frühesten migrantischen Gruppen in Europa steht.
2018 vertrat ich als Galerist die Interessen von Olu Oguibe – und geriet so hinein in einen krassen Kunst-Konflikt. Nach schmutzigen Kampagnen, plötzlichem Abbau des Werkes und den folgenden komplizierten Verhandlungen wurde Oguibes Obelisk – vor allem wegen des Engagements Kasseler Bürgerinnen und Bürger – dauerhaft wiederaufgebaut und ist heute ein Kasseler Wahrzeichen.
2013 begann ich damit, die Idee der Kunst im Bürgerauftrag in andere Länder zu tragen, manchmal in Zusammenarbeit mit Goethe Instituten, manchmal auf Einladung Dritter, gelegentlich auf eigene Faust. Argentinien, Indien, Island, Kamerun, Libanon, Niederlande, Schweden, Tunesien, USA. In diesen Ländern habe ich mögliche Partner getroffen, Mediator*innen gesucht, und viel über die Möglichkeitsbedingungen von Kunst… International New Patrons Initiatives (2013–heute) weiterlesen
Santiago Sierras Wettbewerbsbeitrag für das so hochgradig umstrittene Freiheits- und Einheitsdenkmal wurde 2012 wegen eines „formalen Fehlers“ von der Jury aus dem Wettbewerb gestrichen. Ich hatte den Vorschlag zusammen mit Sierra entwickelt und dokumentiere ihn hier.
Anfang der 2010er Jahre verband mich mit Arno Brandlhuber neben einer Freundschaft und geteilten Interessen auch der Versuch, ihn als Galerist zu vertreten – nicht als Künstler, sondern als Architekt, Planer und Aktivist. Wir arbeiteten an einigen Projekten zusammen, die ich hier kurz dokumentiere.
Am 16. und 17. Oktober 1998 fand in der Alten Handelsbörse Leipzig dieses Symposium statt, an dem ich parallel zu meinem Studium gemeinsam mit Marcel Bühler zwei Jahre lang gearbeitet hatte. Wir waren sehr jung und unerfahren – aber es gelang uns, selbstorganisiert das erste große Kunsttheoriesymposium in Ostdeutschland seit der Wende zu entwickeln und zu veranstalten. Ich erfand den Begriff der „Interkontextualität“, der inhaltlich im Zentrum stand. Im Anschluss an dieses Projekt war mir klar, dass ich als Vermittler (Kurator) weiterarbeiten würde, nicht länger als Künstler.