Der Obelisk des nigerianisch-amerikanischen Künstlers Olu Oguibe gehörte zu den populärsten und umstrittensten Kunstwerken der documenta 14 in Kassel. Im Herbst 2018 sorgte er bundesweit für Aufsehen wegen des politischen und öffentlichen Streits um seinen Standort, der derart eskalierte, dass die Stadtverwaltung am 3. Oktober – dem Tag der Einheit – in einer Nacht-und-Nebel-Aktion das tonnenschwere Kunstwerk entfernte. Meine Aufgabe war es, diesen Konflikt zu lösen.
„Das Fremdlinge und Flüchtlinge Monument“ zitiert auf seinen vier Seiten in vier Sprachen einen Satz aus der Bibel (Matthäus-Evangelium): „Ich war ein Fremder, und Ihr habt mich aufgenommen.“ Die Gestalt des Obelisken gibt dieser Aussage eine zeitlose und Kulturen übergreifende Form. Im Juni 2017 wurde das von der documenta aufwändig produzierte Werk am Kasseler Königsplatz aufgestellt. Die Stadt Kassel verlieh Olu Oguibe für sein Werk den Arnold-Bode-Preis und es gehörte zu den documenta-Kunstwerken, deren möglicher Ankauf und Verbleib in der Stadt von Beginn an erwogen wurden.
Was dann passierte, zitiere ich von Wikipedia:
„Auch bei vielen Bürgern kam der Obelisk zunächst gut an, andere lehnten ihn aus ästhetischen oder politischen Gründen ab. Zunehmend verstärkte sich die Kontroverse in Kassel, die sich zu einem Klima der Feindseligkeit gegenüber dem Künstler auswuchs. Der AfD-Stadtverordnete Thomas Materner nannte den Obelisken 2017 im Kulturausschuss der Stadt „ideologisierende und entstellende Kunst“. Im Jahr darauf drohte er Kundgebungen an, sollte Oguibe nach Kassel kommen. Auch Befürworter des Mahnmals, darunter der frühere Kasseler Oberbürgermeister Hans Eichel, demonstrierten im Sommer 2018 für einen Verbleib des Oguibe-Obelisken in der Stadt.
Ob der Obelisk in Kassel verbleibt, war lange unklar. Um das Kunstwerk ankaufen zu können, rief die Kulturdezernentin von Kassel, Susanne Völker, im Februar 2018 zu einer Spendenaktion auf, bei der 126.000 Euro Spendengelder zusammenkamen. Der Künstler erklärte sich mit der Summe einverstanden, obwohl sie deutlich niedriger als die ursprünglich im Raum stehende Million bzw. die nach Abschluss der documenta anvisierten 600.000 Euro ausfiel.
Der Verbleib des Obelisken entwickelte sich zu einem Politikum im Kasseler Rathaus, da eine Mehrheit der Stadtverordneten den vom Künstler geforderten Standort auf dem Königsplatz ablehnte. In weiteren Verhandlungen mit Oguibe zeichnete sich zeitweise eine Einigung ab. Ins Gespräch gebracht wurde die Idee, den Obelisken an einen neuen Standort zu versetzen, etwa vor ein noch zu bauendes Documenta-Institut. Da die Stadt auf ihrem Beschluss beharrte, das Denkmal nicht auf dem Königsplatz zu belassen, der Künstler aber weiter darauf bestand, das Kunstwerk speziell für diesen Platz geschaffen zu haben, entfernte die Stadt Kassel das Mahnmal am frühen Morgen des 3. Oktober 2018 nach Ablauf der vertraglichen Leihfrist in einer unangekündigten Aktion ohne Wissen der Kulturdezernentin vom Königsplatz und lagerte es auf einem Bauhof ein. Die vom Kasseler Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) verantwortete Aktion, für die er teils scharf kritisiert, teils überschwänglich gelobt wurde, wurde von Anhängern beider Seiten vielfach als Erfolg der AfD gewertet.
Entgegen seiner vorherigen Haltung stimmte Oguibe daraufhin der Versetzung des Obelisken an den von der Stadt vorgeschlagenen neuen Standort brieflich zu, nach eigenen Angaben, um das Kunstwerk für Kassel zu erhalten. Die Stadt Kassel gab am 11. Oktober 2018 bekannt, dass der Obelisk in der Treppenstraße wieder aufgebaut werden und dort dauerhaft verbleiben solle. Am 18. April 2019 wurde das Kunstwerk dort aufgestellt.“
Seither steht das 16,20 m hohe „Fremdlinge und Flüchtlinge Monument“ weithin sichtbar auf einem zentralen Platz der Kasseler Treppenstraße. Dass es so ist, war mein Beitrag zur documenta 14. Das wissen freilich nur die, die dabei waren. Ich habe extrem viel dabei gelernt, vor allem über öffentlichen Druck, dubioses politisches Kalkül, strategische Pressearbeit und Künstlercoaching.
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