Man tut sich schwer mit dem Thema Restitution. Die ehemalig Kolonisierten fordern, man solle ihnen die Kulturgüter zurückgeben, die während der Kolonialzeit gestohlen wurden oder auf fraglichen Wegen in deutsche Sammlungen gelangten. Die Bundesrepublik dagegen bringt vor, das alles sei nicht so einfach – und baut gar das alte Preußenschloss wieder auf, von dem aus ein Stück Kolonialgeschichte mitgeschrieben wurde, um darin eben jene Kulturgüter im Namen Humboldts künftig zu verwahren.
Und nun das. Kaum war 2013 der Grundstein für den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gelegt, meldeten sich die ehemaligen Hausherren zurück, die preußischen Prinzen aus dem Stamm der Hohenzollern, und forderten ihrerseits selbst Restitution: 5.000 Stücke ehemaligen Kronguts aus der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, 266 Gemälde, u.a. von Lucas Cranach, das alles und noch viel mehr gehöre ihnen. Auch das Schloss Cecilienhof in Potsdam mit seinen 176 Zimmern solle wieder Familienwohnsitz werden. Denn die Sowjets hätten nach dem Krieg den Familienbesitz unrechtmäßig zu Staatsbesitz erklärt – also zu unser aller Besitz – und den wolle man nun zurück.
Pikant daran, ja ein Skandal: Wer dem NS-Regime „erheblichen Vorschub“ leistete, ist gesetzlich von Restitutionen und Entschädigungen zu Nachkriegsenteignungen ausgeschlossen. Die Hohenzollern standen den Nazis eher nah als fern und bekämpfen heute historische Forschungen zur eigenen NS-Vergangenheit vehement auf dem Rechtsweg, was die breite Öffentlichkeit erst durch ein Leak Jan Böhmermanns erfuhr. Das passt ausgezeichnet in diese Zeit der Trumpisten und Populisten, die sich als Opfer historischen Unrechts gerieren und ihre eigene Täterschaft verschleiern, Fakten verdrehen, ja Diskurse von Widerstand kapern und hineinspiegeln in ihre eigenen, oft illegitimen Machtansprüche.
Mitten in diese verwirrenden Verhältnisse sticht die neueste Arbeit von Dierk Schmidt. Seit Jahren befasst sich sein Werk mit den (auch juristischen) Rahmenbedingungen der (auch deutschen) Kolonialgeschichte, mit Restitutionsfragen; als Kritiker des Humboldt-Forums arbeitete er in zahlreichen Initiativen mit, kennt Fakten und Hintergründe gut, ebenso Zorn und Frustration. (Im Showroom zeigen wir seine Installation Berliner Schlossgeister von der Berlin Biennale 2004, die den Verflechtungen zwischen Neomonarchisten, Politik und Wirtschaft rund um den Wiederaufbau des Stadtschlosses nachging.)
Die Ausstellung zeigt vier neue Doppelbilder, mit Teer (und wenig Farbe) auf weiße Plexiglasplatten gemalt. Genauer: Je eine Platte wurde bemalt und dann auf eine zweite gepresst, sodass ein spiegelbildlicher Abklatschdruck der ersten entstand. Das resultierende Bildpaar erinnert an Rorschachtests, deren Zufallsstrukturen Raum für psychologische Ausdeutung bieten. Aber es scheint auch, als habe sich ein ohnehin schon zäher, klebriger Themenkomplex verdoppelt, um alles noch komplizierter zu machen. Was ist hier schuld an was? Was kam zuerst, was später? Bekommt man hier noch eine kritische Logik der Verhältnisse und Ereignisse hin? Wie kommt man aus der Dialektik verquerer Opfer-Täter-Konstellationen wieder heraus?
Gruppen schwarzer Punkte formieren sich zu Heeren, Kolonnen, besetzten Territorien. Kontroverse Zusammenstöße zeichnen sich im Bildraum ab. Mittendrin eine preußische Pickelhaube, das Logo der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Miniaturen der vorzüglichen modernen Badezimmer im Schloss Cecilienhof. „Wer Preußen sagt“, steht auf einer Plexiplatte, „bekommt Hohenzollern“, steht auf einer zweiten. Und da zeichnet sich ein Karren ab. Auf dem steht eine Kiste. „Vorsicht Gold“ steht darauf, gleich zweimal. Ein Märchenmotiv aus dem „Räuber Hotzenplotz“, den Kasperl und Seppel mit einem falschen Goldschatz hereinlegen wollen. All diese spärlichen Bild- und Schriftzeichen muss man suchen, so als begäbe man sich vor den Bildern selbst auf eine Recherche, um den Spuren Sinn zu geben. Eine kohärente (kritische) Erzählung bekommt man indes nicht.
Und auch das hat seinen Grund. Dierk Schmidt ist Historienmaler. Man erinnert sich? Historienmalerei, das alte, gewichtige Genre der bildlichen Nacherzählung geschichtlicher Momente von Tragweite, meist mythisch überhöht. Schmidt hat dem Genre eine andere Wendung gegeben, jenseits alter Begriffe und Techniken der Repräsentation. Fast scheint es, als habe sich der Künstler angesichts eines abstoßenden Kapitels der neueren deutschen Geschichte selbst vom eigenen Ausdrucksmedium, der Malerei, entfremdet. Zwischen dem, was sich zeigt und was wir wissen und zuordnen können, lässt Schmidt überall spröde Lücken. Leerstellen und Informationen schauen sich gegenseitig an, dass dem Wunsch nach Wahrheit schaurig wird. Selbst die postmoderne Binsenweisheit, dass Geschichte gemacht wird, flieht aus den Bildern. Was bleibt, sind zu Klecksen verpresste Bildpunkte, die unter Pickelhauben aufmarschieren und nichts Gutes verheißen.